Mittwoch, 21. Juli 2010

Heterogenität

Die Forschungsinitiative Bildungsforschung hat sich als Forschungsschwerpunkt der Umgang mit Heterogenität auf die Fahnen geschrieben [1]. Hierbei unterscheidet sie die Heterogenität Lehrenden wie die der Lernenden. Auch wird betont, dass es heterogene Lebenswelten gibt. Quasi wir Menschen wohl alle Individuen sind. Eine hoffentlich nicht ganz so überraschende Erkenntnis innerhalb der Bildungswissenschaften. Hier hört die Heterogenität jedoch noch nicht auf. Auch auf der Systemebene Schule gibt es Heterogenität. Nicht nur, dass es nach normativen Grundsätzen in verschiedenen Bundesländern unterschiedliche Schulsysteme gibt, welche nach einem Regierungswechsel auch jeweils geändert werden müssen. Jede einzelne Schule folgt einer eigenen Pfadabhängigkeit, hat ein eigenes gewachsenes Schulklima in der Schüler- und Lehrerschaft.
Dass Heterogenität heute noch ein Forschungsfeld ist, zu welchem es zu wenig Aussagen für die Lehrerbildung gibt mag verwundern. Insbesondere, falls durch diesen Schwerpunkt ein Alleinstellungsmerkmal für die Leuphana erarbeitet werden soll. Sollte ein homogenes Menschenbild nicht nur an anderen Universitäten längst überwunden sein sondern ist es in anderen Wissenschaften schon immer gewesen. Etwa wird in der Nationalökonomie von komparativen Kostenvorteilen und unterschiedliche Präferenzen einzelner Individuen oder ganzer Menschengruppen ausgegangen. In der ökonomischen Lebenswelt scheinen die Menschen schon immer heterogen gewesen zu sein. Der Umgang mit Heterogenität beschreibt sicherlich allgemein die Herausforderung, welche pädagogische Berufe gegenüber technischen Berufen wie etwa einem Werkzeugmacher hat. Jedoch wird damit sicherlich kein Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Universitäten erarbeitet.
Sollte dies jedoch der tatsächliche Forschungsschwerpunkt sein könnte man erwarten, dass hierzu mindestens eine W3-Eckprofessur eingerichtet werden würde. Diese Professur würde dann ganz am Anfang berufen werden. Um diese Eckprofessur herum würden dann weitere, hierzu passende Personen berufen werden. Ganz anders ist das Vorgehen in dieser Wissenschaftsinitiative. In Bereich Psychologie wie Bildungswissenschaften wird jeweils eine W3-Professur benannt. Um diese werden dann zwei weitere W1/2 Professuren gelegt. In den Bildungswissenschaften lautet der Titel der Eck-Professur „Allgemeine Erziehungswissenschaft.“ Speziell zu Heterogenität soll hingegen nur eine W1/2 Stelle reichen. Zu Letzteren wird dann erst gar nicht für Probevorträge eingeladen. Nach einem Protokoll der Fakultätsübergreifenden Kommission Lehrerbildung (FKL) soll diese Professur nun als Verhandlungsmasse für andere Verfahren verwendet werden. Ein tatsächlicher Forschungsschwerpunkt würde anders behandelt werden!
So scheint es, dass die neuen Professuren mehr nach den Anforderungen der Akkreditierungsagentur besetzt werden. Hier die zukünftige Lehrer selbst weiter in einem verschulten System ausgebildet werden. Die Studierende in Kohorten nach der Semesteranzahl zusammengefasst und als eine homogene Masse behandelt werden. Die Menschen sollen sich an ein System anpassen. Wer dies besonders gut kann hat dann was gelernt.
Und die Wissenschaftsinitiative Bildungsforschung? Diese sollte, spätestens wenn die aktuellen Berufungen vorbei sind, in Klausur gehen und nach den eigenen komparativen Kostenvorteilen suchen. Sonst werden sie, trotz derzeitigen politischen Zusagen, in wenigen Jahren wieder in Frage gestellt. Durchschnittliche bis unterdurchschnittliche Bewertungen reichen nicht mehr zum Überleben. Die wettbewerbliche Auslese findet inzwischen auch auf der Systemebene statt.

[1] http://www.leuphana.de/w-initiativen/bildung/forschung.html

2 Kommentare:

  1. Sorry, aber dieser Eintrag erscheint mir ein bisschen widersprüchlich:

    Ich finde auch, dass der Schwerpunkt Heterogenität Quatsch ist. Wer sich mal umschaut sieht, dass jede drittklassige Fachhochschule für Sozialpädagogik, der gar nichts mehr zum Thema Profilierung einfällt, sich auf Heterogenität schmeißt. Von daher wirklich kein Alleinstellungsmerkmal. Da aber die/der AutorIn InsiderIn der Fakultät zu sein scheint, weiß sie/er doch auch, dass diese bescheuerte Idee Heterogenität nicht vom Präsidium kam, sondern von einigen Fachdidaktiken. Insofern ist es doch ganz gut, dass dieses ausgelutschte Thema in den Berufungen gar keine große Rolle mehr spielt?!

    Dann ärgert mich an dem Beitrag, dass er ungefragt die Ideologie der Leuchtturmprofessuren übernimmt und schon wieder so hochschulprofilbildenden Eckprofessuren fordert. Direkt unter Leuchttürmen ist es bekanntlich besonders dunkel. Ist es nicht gut für unser Studium, dass wenigstens ein paar Professuren noch nach fachlicher Erwägung und nicht nach Schlagworten des Hochschulmarketing ausgeschrieben worden sind?!

    Viel deprimierender finde ich, dass der Beitrag die Begriffsverwirrung um Bildungswissenschaften, Bildungsforschung und Lehrerbildung übernimmt. Hier wird schon ganz selbstverständlich nur noch von Lehrerausbildung als Aufgabe ausgegangen. Wenn man/frau mal ein paar letzte Altstudierende fragen würde, würde wieder einfallen, dass es auch mal Sozialpädagogik gab und Erziehungswissenschaft-Bildungswissenschaften an dieser Fakultät. Da wird die Sache doch erst spannend. Da konnte mensch nämlich mal Politik studieren, ist jetzt nur noch in der KuWi-Fakultät. Da konnte mensch nämlich mal Soziologie studieren, ist jetzt nur noch in KuWi-Fakultät. Bleiben nur noch Psychologie und Pädagogik. Und in der Pädagogik wird jetzt noch gerade eine einzige Allgemeine Erziehungswissenschaft ausgeschrieben, wo es mal zig Stellen gab für internationale Pädagogik und Bildungsgeschichte und Sexualpädagogik und Bildungsphilosophie usw. gab. Keine Bildungspolitik mehr, keine Bildungssoziologie mehr, die Pädagogik nur noch in einer absoluten Schrumpfversion, und das soll dann ein bildungswissenschaft-erziehungswissenschaftlich-pädagogisches Studium sein? Wohl kaum! Das ist genau noch die Schrumpfversion, die man für eine minimale Schlichtversion für Volksschullehrerausbildung braucht. Genau dahin wird die Fakultät eingestampft.

    Und wenn diese Stellen jetzt schnell besetzt werden, was diejenigen von uns auch noch gefordert haben, die auf der Vollversammlung dafür gestimmt ahben, dann ist genau dieser Umbau bald endgültig abgeschlossen. Und noch schlimmer finde ich, dass das jetzt durchgepeitscht wird, obwohl die Vorstellungsgespräche für viele Stellen wohl ziemlich unter aller Sau waren. Anstatt dass neu ausgeschrieben wird, werden jetzt die Fakten durchgeknüppelt. Na, dann viel Spaß beim weiteren Studieren in Lüneburg. Gut, dass ich fertig bin!

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  2. Hallo Vorschreiber,
    hier gilt es zwei Sachverhalte zu unterscheiden: Einerseits kann ein Strategiepapier kritisiert oder als gut befunden werden. Andererseits stellt sich die Frage, nach welchen Zielen eine Fakultät vorgeht, falls sie ihr selbst geschriebenes Papier offensichtlich missachtet. Strategiepapiere werden doch geschrieben um zu erläutern, wie maximal viel mit gegebenen Mitteln erreicht werden kann. Oder es muss deutlich gemacht werden, dass mit den gegebenen Mitteln Forschung und Lehre nicht mehr aufrechterhalten werden können. Jedoch ein Papier abzugeben, nur um den nächsten Meilenstein zu erreichen, und danach dieses schnellst möglich wieder zu vergessen kann doch wohl nicht angehen.

    Sicherlich sollten Professuren nach fachlichen Überlegungen ausgesucht werden. Um sicher zu stellen, wovon man da spricht werden doch im Vorfeld Strategiepapiere und Stellenausschreibungen verfasst. Genau hier gehören doch die fachlichen Überlegungen festgehalten.

    Ich kann in Deinem Beitrag den deutlichen Wunsch nach mehr Stellen im Bereich Erziehungswissenschaften erkennen. Das der Major Bildungswissenschaften eingestellt wurde, die Bildungswissenschaften auf einen minimalen Support für die Lehrerausbildung beschränkt wird, ist doch offensichtlich. So ist doch heute schon damit zu rechnen, dass demnächst der Master auch eingestellt wird. Die Situation, dass vom Land zwar die Lehrerbildung gefordert wird, jedoch dafür kaum Gelder zur Verfügung gestellt werden, ist aber in Verantwortung des Landes. Es ist wohl nicht möglich, mit den vorhandenen Geldern gleichzeitig SozPäd, Bildungswissenschaften und Lehramt zu erhalten. Bildungswissenschaften haben halt keine Lobby.

    Falls die Fakultät Lehrerbildung aus dem von Dir beschriebenen Schrumpfkurs wieder raus kommt wäre aber Strategiepapier, welche nicht jede drittklassige Hochschule hat, doch nur anzuraten, oder?

    Das traurige ist doch, dass heute schon sich die Bewerber besonders auf Deutsch oder Englisch stürzen. Mangelfächer, wie Musik, nicht ausreichend nachgefragt werden. Doch wie können ungenutzte Kapazitäten auf Dauer gegenüber dem Steuerzahler legitimiert werden?

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