Der AStA hat im Sommer ja an einer Dokumentation zum Audimax gearbeitet. Dieser Kommentar möchte die Arbeit würdigen jedoch auch in einem entscheidenden Punkt widerlegen. Höchstens, es geht bei der Diskussion um den Raumbedarf auch um die Hinterfragung des Leuphana-Studienmodells.
Um die derzeitige Bemühungen zu der Weiterentwicklung der Universität Lüneburg zu einer Campusuniversität nachvollziehen zu können muss sich mit dem Studienmodell im College beschäftigen. Das College baut darauf auf, dass mit einer geringen Anzahl von Major und frei kombinierbaren Minor eine Vielzahl von Studiengängen von jedem einzelnen Studierenden kreiert werden kann. Zudem kann aus einer Vielzahl von Komplementärveranstaltungen frei gewählt werden. Durch diese hohe Wahlmöglichkeit kommt es zu einer großen Durchmischung der Studierenden in den Veranstaltungen. Um jetzt die Pausen nicht nur mit dem Überbrücken der Distanz zwischen verschiedenen Standorten zu verlieren würde eine Universität der kurzen Wege, eine Campusuniversität, die Situation für Lehrende und Lernende deutlich verbessern.
Nach dem bekannt ist, dass mittelfristig sich alles auf dem Campus konzentrieren soll, versuchen möglichst viele Institute und Forschungsprojekte auch auf dem Campus Scharnhorststraße (Campus) untergebracht zu sein. Dies führt heute schon zu einer erheblichen Raumnot auf dem Campus. Da auf Grund des Studienmodells, z. B. im Leuphana-Semester, alle Studierende parallel Gruppenräume benötigen kommt es punktuell auch immer wieder zu der Situation, dass kein einziger Raum mehr auf dem Campus frei ist. In anderen Zeitfenstern fehlen hingegen Hörsäle in der Größenordnung 100 bis 250 Personen. Ganze Jahrgänge sitzen in schlauförmige Seminarräume. Im letzten Drittel ist dabei kaum noch etwas von der Präsentation zu erkennen und die Akustik leidet darunter.
Hingegen ist derzeit im Roten Feld und in Volgershall die Raumsituation deutlich entspannter. Jedoch möchte keiner dorthin versetzt werden, da diese „Abschiebung“ häufig emotional mit der baldigen Schließung des Studienganges verbunden wird. Besteht zum Beispiel bei den Ingenieuren die Angst, dass falls keine Maschinenhalle auf dem Campus errichtet wird dies auch bedeutet, dass ihr Studiengang geschlossen wird. Auch bei Lehramt wurde der Umzug ins Rote Feld als ein Indiz gesehen, dass Lehramt geschlossen wird.
Ein Studienmodell, welches den Studierenden anbietet sich ein sehr individuelles Studium aus einigen Bausteinen nach dem Baukastenprinzip zusammen zu setzten und gleichzeitig von nur einer überschaubarer Größe von Lehrenden bedient werden soll bedarf demnach eine Campusuniversität.
Doch welcher Raumbedarf ergibt sich daraus?
Einerseits werden mehr Gruppenarbeits-, Seminarräume und Hörsäle gebraucht wie in der Vergangenheit vor dem Leuphana-Studienmodell. Dies ist begründet in der Parallelität der einzelnen Unterrichtsformen. Ist aus den wenigen Informationen, welcher der Öffentlichkeit zu dem Zentralgebäude zur Verfügung steht, zwar ersichtlich, dass hier Gruppenarbeitsräume erstellt werden sollen so ist bis jetzt von lediglich einem Hörsaal mit 1300 Plätzen die Rede. Kann dieser Hörsaal denn geteilt werden? Können in diesem Hörsaal auch naturwissenschaftliche Fächer (Rauchabzug, feuerfeste Unterlage) unterrichtet werden? Die größere Kohorte von Studierenden im Major Umweltwissenschaftler hat etwa noch keinen Hörsaal, in welchem sie im nächsten Sommer unterrichtet werden kann. Soll die unglückliche Situation mit den sehr schlauchartigen Seminarräumen auf dem Campus der Vergangenheit angehören müssten auch von diesen welchen erstellt werden, welche breiter, jedoch nicht so tief sind. Sollte das Audimax nicht geteilt werden können besteht auf jeden Fall noch der Bedarf auch von Räumlichkeiten in der Größenordnung zwischen 70 bis 250 Plätze. Auch besteht der Bedarf an freien Räumlichkeiten, welche von Referats- und Lerngruppen genutzt werden können. Für andere ist selbst in der Bibliothek noch zu viel Trubel und benötigen Stillarbeitsräume. Andere benötigen Aufenthaltsräume in den Pausen in der kalten Jahreszeit bzw. an Regentagen.
Derzeit wird öffentlich Diskutiert, dass eine Universität, welche deutlich weniger Studierende habe, auch deutlich weniger Räume brauchen würde. Dies ginge jedoch nur, falls man wie früher auch wieder bis 22 Uhr unterrichten würde und das Studienmodell auflöst um den parallelen Bedarf von Gruppenarbeitsräumen wie von Hörsälen umzukehren.
Betrachten wir in einem nächsten Schritt die Büroflächen für die Dozenten. Wie mehrfach zu lesen konnte in den letzten Jahren das Betreuungsverhältnis zwischen Studierende und Dozenten deutlich verbessert werden. Das sinken der Studierendenanzahl war demnach nicht mit einer starken Schrumpfung im Bereich der Dozenten verbunden. Vielmehr ist die Universität bemüht, die Forschung deutlich zu vergrößern. Das Drittmittelaufkommen soll deutlich gesteigert werden. Jede Neuberufung soll schon in erheblichen Maße Drittmittel mitbringen. Dies trifft selbst bei Juniorprofessuren zu. Drittmittelforschung bedarf jedoch auf jeden Fall Platz. Platz für neue Apparaturen, Arbeitsplätze für Mitarbeiter. Sollte es der Professional-School gelingen, weitere laufende Weiterbildungsstudiengänge aufzubauen werden auch hier zur Betreuung Mitarbeiter benötigt.
Kommt jetzt noch hinzu, dass aus Gründung der Unterhaltungskosten eine Trennung von zwei Bausünden der Vergangenheit erfolgen soll ist mit einem erheblichen Mehrbedarf an Nutzfläche auf dem Campus zu rechnen.
Falls die Stadt und der Landkreis eine Stadthalle auf der Fläche der Universität wünschen darf ein derartiger Raum sicherlich in diesem Rahmen mit erstellt werden. Jedoch sollte es dann auch die Aufgabe der Stadt sein den Unterhalt eines derartigen Raumes wie den hierfür notwendigen Parkplätzen zu bezahlen. Wie die Bewirtschaftung einer Stadthalle schön gerechnet werden und zu lasten der Universität oder eines Partner verlagert werden kann ist schon verwunderlich. Auch dass sich die Stadt Lüneburg, statt einem gewünschten Raum für 3000 Personen einen Multifunktionsraum für 1200 Personen aufbinden lässt bleibt ihr Geheimnis. Auch, weshalb sie sich mit einer deutlich niedrigeren Studierendenanzahl zufrieden gibt als in der „Strategischen Rahmenplanung“ ins Auge gefassten 10.000 Studierende (derzeit knappe 7000). Möglicherweise mag sie am Ende nicht Verantwortlich für das Scheitern der Neuausrichtung der Universität sein.
Fasst man diese Aspekte alle zusammen muss geschlussfolgert werden, dass das Zentralgebäude sogar viel zu klein ist. Es gerade mal den beengten aktuellen Bedürfnissen gerecht wird und keine Puffer schafft für neue Forschungsprojekte wie der weiteren Entwicklung der Universität. Hält die Universität es abwegig weitere Stiftungsprofessuren gewinnen, Studiengänge in der Professional School aufbauen oder weitere Drittmittel akquirieren zu können? Von Platz für universitärnahe Ausgründungen ganz zu schweigen.
Für neu zu errichtende Gebäude ist es dringend erforderlich, einmal ehrlich über den tatsächlichen Raumbedarf zu sprechen. Ein Raumbedarf, welcher sich nicht an irgendwelchen Durchschnittszahlen orientiert sondern berücksichtigt, dass an dieser Universität ein völlig anderes Studienmodell gefahren wird. Ein Raumbedarf, welcher den absehbaren Raumbedarf der nächsten 6-8 Jahren mindestens schon mit einschließt. Dafür müsste die Diskussion über die Inhalte jedoch noch einmal geführt werden. Welche Majors soll es denn Mittelfristig geben? Die Neuausrichtung der Universität ist mit dem Bericht der wissenschaftlichen Kommission Niedersachsen und der anschließenden Diskussion jedoch noch nicht abgeschlossen. Kann sich etwa ein Schmalspur-Leuphana-Bachelor-Ingenieur gegen die wieder gegründete Diplomingenieure der technischen Universitäten behaupten? Oder sollte dieser Major in einen Minor umgewandelt werden? Wie können sich große Major, in deren Bereichen es jedoch verhältnismäßig wenig Drittmittel gibt, weiterhin rechtfertigen? Im nächsten Schritt sollte die Diskussion stattfinden, wo der Platz auf dem Campus ist für eine möglicherweise genötigte Maschinenhalle oder etwa ökologische Versuchsflächen oder allgemein den technischen- und naturwissenschaftlichen Laboren? Möchte die Universität auf ihrem Campus auch weiterhin ein Sportfeld und sommerliche Chill-out-Flächen haben ist eben nur ein sehr begrenzter Platz vorhanden. Den einzig in die Höhe kann auf dem Campus noch weiterer Raum geschaffen werden. Raum, welcher für ein innovatives Studienmodell wie die Forschungsinitiativen und den zentralen Einrichtungen (z. B. ZDemo) dringend benötigt wird. Das geplante Zentralgebäude mit den hierfür notwendigen Parkflächen ist jedoch zu klein. Schließlich möchte sich, in den Worten von Herrn Zühlsdorff, Leuphana nicht nur auf den Weg machen zu einer zukunfts- und wettbewerbsfähigen Universität der Zivilgesellschaft des 21. Jahrhunderts, sondern auch dort ankommen. Dies bedarf jedoch nicht Zink, Glas und Beton allein sondern auch die gesellschaftliche Diskussion über den Raumbedarf und den dahinter liegenden Inhalten von Forschung und Lehre.
Wie überhaupt ins Auge gefasst werden kann, auf dem Campus noch ein Hotel oder ein weiteres Studierendenheim zu erstellen kann nicht nachvollzogen werden. Muss ja etwa auch die Bibliothek dringend ausgebaut und sollen die Interessen von Fledermäuse und der Haubenlerche auch noch berücksichtigt werden. So ist langfristig ja doch absehbar, dass die Einkaufzeile einem mehrgeschossigen Bau weichen muss und Studentenwohnheime auf dem Campus in Büroflächen überführt werden.
Samstag, 23. Oktober 2010
Zentralgebäude, Studienmodell und Raumbedarf
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