Montag, 27. Dezember 2010

Leuphana auf Wachstumskurs?

Glaube keiner Statistik, welche Du nicht selbst gefälscht hast. Diese Aussage trifft doch mal wieder voll zu bei einer näheren Betrachtung des Artikels [1] „Leuphana auf Wachstumskurs“ auf der Homepage der Leuphana Universität Lüneburg.

Wir wollen nachfolgend einzelne Aussagen dieses Artikels uns in Bezug auf die Lehre genauer anschauen und interpretieren:
Zum Wintersemester 2010/2011 ist die Zahl der Studienanfänger an der Leuphana Universität Lüneburg um neun Prozent gestiegen [1].

Diese Aussage mag im Vergleich zum WS 09/10 sogar stimmen. Immerhin war dies das Jahr mit den geringsten Neuaufnahmen in den letzten 5 Jahren. Es sei nur an die Streichung des Studienganges Sozialpädagogik, Lehramt Physik wie der Abgang des Standortes Suderburg erinnert. Bei einer kurzfristigen Betrachtungsweise ist die Aussage richtig. Bei einem mittleren Betrachtungshorizont, verglichen etwa mit den Zahlen zu Zeiten der Fusion kann doch eher von einer ersten, zarten Erholung gesprochen werden.
Allein für den Major Umweltwissenschaften konnten dank der Berufung neuer Professoren 80 Plätze mehr angeboten werden [1].

An dieser Stelle möge uns die Fachgruppenvertretung Umweltwissenschaften L. B. S. gerne korrigieren oder bestätigen. Doch nach unserem Wissen ist die Zahl von 86 auf 148 Studierende gestiegen. Auch wenn eine Steigerung um 62 Personen beachtlich ist, kann trotz großzügiger Rundung die Zahl von 80 zusätzlichen Plätzen nicht gesehen werden.

„Der Anstieg der Studienanfängerzahl wird sich im kommenden Jahr sogar noch beschleunigen“, sagt Uni-Präsident Prof. Dr. Sascha Spoun und verweist auf die mehr als 200 neuen Studienplätze, die die Universität im nächsten Jahr zusätzlich anbieten wird. Sie reagiert damit auf den erwarteten Bewerberansturm wegen des doppelten Abiturjahrgangs [1].

Hier müssen zwei verschiedene Sichten eingenommen werden. Aus Sicht einer Universität, welche mit begrenzten Mittel gute Forschung und Lehre anbieten möchte sind 200 zusätzliche Studierendenplätze natürlich ein beschleunigtes Wachstum. Betrachtet man jedoch die Tatsache, dass in mehreren Bundesländer der doppelte Abitursjahrgang die Schule verlässt und zeitgleich auch die Wehrpflicht ausgesetzt wurde müsste die Anzahl der Studierendenplätze jedoch verdoppelt werden. Hier sind 200 zusätzliche Studierendenplätze gesamtgesellschaftlich gesehen leider nur der Tropfen auf dem heißen Stein. Vielmehr hat an diesem Punkt das gesamte Bildungssystem der Bundesrepublik Deutschland versagt. Fast ein kompletter Abitursjahrgang wird gezwungen, in die Warteschleife zu treten. Dieser Berg an Studierende war seit 8 Jahren bekannt und politisch gewollt. Mit den persönlichen Konsequenzen werden jedoch die Menschen alleine gelassen. Diese Selektion ist jedoch gewünscht. Die Verdrängung wird vermutlich nach unten durchgeschoben. Die Abiturenten werden vermehrt in Ausbildungsberufe drängen, welche früher typische Berufe für den mittleren Bildungsabschuss waren. Realschüler werden wiederum Hauptschüler verdrängen. Wer im nächsten Jahr seinen Hauptschulabschluss beendet sollte wohl weiter zu Schule gehen, falls er nicht schon längst desillusioniert wurde und gleich HarzIV für sich beantragt. Mit für diesen Personenkreis werden ja dann in Suderburg Sozialpädagogen ausgebildet. Ein sehr krisensicherer, antizyklischer Beruf welcher in Lüneburg als grundständiger Studiengang ja keine Zukunft hatte.

Sollte jedoch die 200 Studierendenplätze mit jenen Mitteln finanziert werden, welche temporär von Bund und Land zur Verfügung gestellt werden, dann handelt es sich ja gar nicht um einen Wachstumskurs sondern nur um eine temporäre Erhöhung. Die zukünftige Streichung der Gelder wäre in diesem Fall ja heute schon bekannt. Auch hier kommt es wieder auf den Betrachtungszeitraum an. Ein Wachstumskurs impliziert doch die Annahme, dass auch 2016/17 die Studierendenzahlen zunehmen werden. Wenn schon nicht absolut (geburtenschwache Jahrgänge) so dann mindestens relativ. Das führt letztlich zu der Frage, wie viele zusätzliche Studierendenplätze es denn nächstes Jahr in Oldenburg oder Vechta gibt? Ob denn relativ zu den anderen Hochschulorten in Lüneburg dann immer noch ein Wachstum erkennbar ist? Ob bildlich gesprochen Leuphana tatsächlich weiter aus dem Wasser herausragt oder nur der Wasserpegel gestiegen ist.

Aktuell sind an der Leuphana Universität Lüneburg 6.982 Studierende eingeschrieben. Der Blick auf die Verteilung der Studierenden nach Schools zeigt das folgende Bild: Im College studieren 3.965 junge Akademiker, in der Graduate School sind es 1258 und in der Professional School 329. In allen drei Einrichtungen werden die Studierendenzahlen weiter steigen. Die restlichen 1.430 Studierenden sind in auslaufenden Studiengängen immatrikuliert [1].

Nach den Zahlen im Artikel Studieren im Leuphana-Modell 5552 Studierende. Diese Anzahl wird zunehmen. Zum Beispiel im College um 200 Studierende mal 3,5 Jahre durchschnittliche Studierendenzeit Also grob um 700 Studierende. Ob in der Graduate School und der Professional School zusammen auch 700 zusätzliche Studierende sein werden ist doch fraglich. Doch konkret heißt es doch, dass absolut nächstes Jahr es noch weniger Studierende sein werden als in diesem Jahr. Die Anzahl von 6982 doch weiter fällt da mehr Studierende der auslaufenden Studiengänge die Universität verlassen werden als nächstes Jahr zusätzlich aufgenommen werden. Im WS 11/12 werden es vielleicht 400 Studierende mehr in den neuen Gefäßen sein. Dafür aber geschätzt 1000 Studierende weniger in den auslaufenden Studiengängen. Zum WS 12/13 werden weitere 400 Studiere zusätzlich in den neuen Gefäßen sein und die letzten 400 Studierende der auslaufende Studiengänge ersetzten. Der Wachstumskurs der Leuphana Universität Lüneburg in Bezug auf die Lehre wird absolut frühestens mit dem WS 13/14 beginnen. Alles davor ist nur eine spezielle Interpretation der Zahlen. Jedoch, und das ist das erfreuliche, konnte endlich ein jahrelanger Trend der Schrumpfung gestoppt werden. Die Talsohle ist in Sicht. Die Leuphana Universität Lüneburg wird in absehbarer Zeit ihre Studierendenzahlen auf einem neuen Niveau stabilisieren – bei einem Zielkorridor von 5900 – 6400 Studierenden. Jetzt hoffen wir, dass die Qualität der Lehre, die Publikationen wie das Drittelmittelaufkommen weiter steigen. Hier auch inneruniversitär die richtigen Weichen gestellt wurden und werden. Somit das Niveau der Studierendenzahlen dann auch bei schrumpfenden Abiturentenabgängerzahlen gehalten werden kann. Eine Schließung der Universität im Jahr 2018 dann aus wissenschaftlicher Sicht einfach untragbar wäre. Und nicht nur, weil hier zu viel Beton, Glas und Zink verbaut wurde.

Auf Wachstumskurs wird die Leuphana Universität Lüneburg jedoch erst einbiegen, falls sie ein Rezept findet mehr Professoren zu berufen als sie durch die Verrentung verloren hat. 60 neue Professuren hört sich ja nach viel an. Doch netto sind es doch gerade eine handvoll neue Kollegen verglichen mit dem Zeitpunkt der Fusion. Es gibt aber insbesondere mehr Juniorprofessuren. Die Anzahl der vertraglich unbefristeten Professuren ist doch gefallen. Die Anzahl der unbefristeten Stellen im Mittelbau auch. Wachstum sieht anders aus!

[1] http://www.leuphana.de/aktuell/archiv-startseiten-news/wachstumskurs.html

1 Kommentar:

  1. Zu den Zahlen im Bereich Uwi-Bachelor:

    Studienplätze und Studierende sind ja zweierlei. Im letzten Jahr (WS 2009) gab es 63 Plätze für Uwi. Da allerdings es die Annahmequote höher war als erwartet war der Studiengang über 100 % ausgelastet. Dieses Jahr (WS 2010) dagegen stimmt es mit den zusätzlichen 80 Plätzen, wie auf der Leuphana-Seite berichtet. Die Auslastung des Studienganges ist aber zurückgegangen. Somit ist die Anzahl der Studierenden nicht gleich hoch angestiegen wie die Anzahl der Plätze. Die Aussage in diesem Blog, dass es nur rund 60 Studierende mehr dieses Jahr gibt, ist damit auch war.

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