Freitag, 16. September 2011

Präsidiale Demokratie

Präsident Prof. (HSG) Dr. Spoun hat ein Buch über virale Kommunikation herausgegeben [1]. Einen Beitrag haben Spoun und sein ehemaliger Präsidiumsmitarbeiter Felix Seyfarth verfasst: "Hochschulmarketing in Zeiten von Blogs, Wikipedia und YouTube: Zur prozessanstoßenden Kommunikation für öffentliche Universitäten" [2]. In ihrem Text steht die Leuphana Universität Lüneburg Pate.

Dankenswerterweise werden kritische Stimmen erwähnt. Die Radiosatire Leuphanatiker des ASTA, die Homepage Leuphana21, unseren Vorgängerblog LeuphaNO und die leider verschwundene Materialiensammlung Das weiße Gold. Nicht zuletzt wird die Schlacht um den Wikipediabeitrag der Leuphana genannt, die zu einer mehrmonatigen Veränderungssperre führte.

Dann wird es interessant. Der Präsident einer deutschen Alma mater sagt zu Demokratie und Mitbestimmung:
Vielmehr gilt es, die zivilgesellschaftliche Rolle der Institution ernst zu nehmen und die breite Teilhabe zu ermöglichen und zu erhöhen ohne in zentralen Aussagen Kompromisse einzugehen (...). [3]
Wir verstehen: Mitbestimmen und Einfluss nehmen, solange es im Klein-Klein bleibt und das präsidiale Gesamtwerk unverändert Bestand hat. Ketzerische Fragen nach dem Sinn von Teilen des Leuphana-Semesters oder anderer Bausteine bitte nicht. Wer so etwas anspricht ist ein Kritiker. Und für die gilt:
Die für jeden Einzelnen notwendige mentale Anstrengung sich auf das Neue einzulassen und die eigene Identität neu zu verorten, ist besonders stark ausgeprägt für Funktionsträger und andere exponierte Mitglieder, die tendenziell eine überdurchschnittlich starke Identifikation mit dem Status quo ante mitbringen. [4]
Wir sagen: Jawohl! Wer Kritik übt oder die falschen Fragen stellt, ist ein ewig gestriger, unverbesserlicher und unrettbarer Nörgler. Aber zum Grundsätzlichen:
Zu den Wesensmerkmalen und Stärken einer offenen Universitätsgemeinschaft gehört, sich der Vielfalt der Meinungen zu stellen, auch mit Widerstand, Skeptikern und Kritikern auseinanderzusetzen, die weder durch demokratische Mehrheiten noch moralische oder fachliche Legitimation zu überzeugen sind. [4]
Lieber Herr Präsident (LEU),
vielleicht haben wir Sie missverstanden; sonst haben Sie da etwas missverstanden. Wenn eine demokratische Entscheidung getroffen wurde, müssen nicht alle Menschen damit einverstanden sein. Das ist Demokratie, haben Sie schon einmal den Begriff "Opposition" gehört? Demokratische Mehrheiten sind Mehrheiten, aber sichern keinen bedingungslosen Gehorsam. Schauen Sie einmal auf den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr und fragen Sie, was eine so genannte "demokratische Mehrheit" gegen den Willen der Bürger verantwortet. Selbst wenn eine Mehrheit nicht nur im Parlament, sondern bei den Wählern insgesamt besteht, überzeugt sie die Minderheit nicht - und das muss auch nicht sein; weder im Parlament noch außerhalb.

Lieber Herr Präsident, was uns Grund zur Sorge gibt ist ihr Verweis auf moralische Legitimation. Ziehen Sie diese moralische Legitimation aus der Arbeitsweise von Herrn Keller? Ist Kritik nicht moralisch legitimiert? Sie ist doch gerade ein lebenswichtiges Element einer freien Gesellschaft. Vielleicht haben wir Sie missverstanden, ansonsten denken Sie einmal darüber nach.

[1] http://www.amazon.de/Virale-Kommunikation-Möglichkeiten-prozessanstoßenden-Marketings/dp/3832950591 [Leuphana Bibliothek: BWL 634.070]
[2] ab Seite 215
[3] Seite 238
[4] Seite 240

6 Kommentare:

  1. Gute Idee:
    Schreibt doch auch einfach mal ein Buch! Idee entwickeln - Konzept erstellen - Konzept umsetzen - Verlag finden - Druckkosten eintreiben etc.
    Das würde ARBEIT bedeuten.
    Nachts um elf würdet Ihr froh sein, im Bett zu liegen und zu schlafen. Ihr hättet keine Energie mehr, um quer über den Campus zu penny zu tigern, um Dosenbier zu erstehen, oder diesen Watch-Blog zu füttern. Letzteren würdet Ihr allerdings auch nicht mehr brauchen, denn Ihr hättet Eure Ansichten ja in gebundener Form dargelegt. Und vorne auf dem Titel stünde der Name, mit dem Ihr für das einstehen würdet, was Ihr hier lieber anonym macht.

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  2. Das "Weiße Gold" war antisemtisch.

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  3. Dosenbier ist unnachhaltig! Mist, entfallen schon wieder ein paar Verdächtige - ich dachte immer, die VerfasserInnen dieses Blogs wären Ökos.

    Spouns Bücher sind eben vor allem eines: BWL-Denke der neoliberalen Ideologie. Von Haus aus undemokratische Profitgeilheit und stumpfsinnige Leistungstreiberei.

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  4. 12:17 oder 08:15? Bitte mal erläutern, warum das Weiße Gold antisemitisch gewesen sein soll. Das wäre aber für die Landeszeitung ziemlich problematisch, denn die meisten Artikel stammten von dort.

    Wer die Seite nicht mehr kennt: Beim WG wurden vor allem Presseartikel gesammelt und als pdfs kommentiert zur Verfügung gestellt.

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  5. Es ist geil zu sehen, wie dem ASTA der Schaum vor dem Mund klebt.

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  6. Wo Spoun recht hat, hat er recht. Immerhin hat er LeuphaNo und Das Weiße Gold um einiges überdauert.
    Mal sehen, wann bei Leuphana Watch die Jalousien runter gehen?

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