Freitag, 18. März 2011

Freundschaftsdienste beim Fernsehen 2.0?

Vor Kurzem berichteten wir über die Frage, wie viel Lüneburg im Innovationsinkubator steckt. In diesem Zusammenhang stellten wir fest, dass das Kompetenz-Tandem "Fernsehen 2.0" von externen Wissenschaftlern geleitet wird. Ursprüngliche Idee war, dass von den EU-Millionen Wissenschaftler aus Lüneburg profitieren. Nicht einmal die Kooperationspartner kommen aus der Region. Grund genug, das Fernsehen 2.0 unter die Lupe zu nehmen.

Das Kompetenz-Tandem wird geleitet von Gastprofessor Michael Ballhaus und dem internationalen Gastwissenschaftler Dr. Timon Beyes. Wer sind diese Menschen und wieso bekommen sie ein Tandem geschenkt?

Michael Ballhaus ist ein bekannter Kameramann, wie Wikipedia zu berichten weiß. Vizepräsident Holm Keller holte ihn zunächst für die Startwoche 2009 als Jurymitglied an die Leuphana Universität Lüneburg, um ihn im März 2010 zum Gastprofessor zu machen. Von einer Tätigkeit in Sachen Fernsehen 2.0 war in der Pressemitteilung der Universität noch nicht die Rede. Schon im Oktober 2010 war das anders, der Mann aus dem "illustren Bekanntenkreis Holm Kellers"(1) konnte sich ein finanziell gut gepolstertes Tandem an Land ziehen.
Wir fragen uns, ob sich die Leuphana Universität Lüneburg mit einem großen Namen schmücken will, oder ob hier alte Bekannte ein Auskommen erhalten.

Dr. Timon Beyes ist als internationaler Gastwissenschaftler dabei. Die Homepage weiß:
Vor „Fernsehen 2.0“ war der Soziologe und Betriebswirt als Senior Lecturer an der Universität St. Gallen, Schweiz, tätig. Letzte Buchveröffentlichungen: „Parcitypate: Art and Urban Space“ (mit Sophie-Thérèse Krempl and Amelie Deuflhard; Niggli, 2009), „Finden und Erfinden: Die Entstehung des Neuen“ (mit J. Mittelstraß; Berlin University Press 2009); in Vorbereitung: „Anstand“ (mit J. Metelmann; Berlin University Press 2011). (2)
Was die Homepage der Leuphana Universität Lüneburg nicht für wichtig hält ist Folgendes:
Dr. Timon Beyes studierte erst BWL in St. Gallen. Dann arbeitete er gemeinsam mit Universitätspräsident Sascha Spoun an der Neukonzeption der Lehre der dortigen Hochschule (Prototyp für das Leuphana Studienmodell) (3). Damit nicht genug. Beyes war in St. Gallen für die Betreuung von Haniel-Stipendiaten zuständig und organisierte die Haniel seminars (4). Zur Haniel Stiftung unterhält auch Sascha Spoun enge Verbindungen. Auch Holm Keller und Stararchitekt Daniel Libeskind sind für Beyes keine Unbekannten. Gemeinsam mit Keller, Spoun und Libeskind schrieb er das Buch "die Stadt als Perspektive" (5).

Ballhaus und Beyes, zwei Menschen, die gute Verbindungen zur Führungsetage dieser Universität haben. Beide kommen sie neu nach Lüneburg und haben wenig später optimal ausgestattete Stellen und ein gigantisches Forschungsbudget. Ihr Kompetenz-Tandem umfasst sagenhafte dreieinhalb Jahre Projektlaufzeit, 26 wissenschaftliche Mitarbeiter(innen), vier Doktorand(inn)en, zwei Postdoktorand(inn)en (6). Für das Projekt steht ein Budget von rund 6 Mio. Euro zur Verfügung (7).

Im Vergleich dazu muten die Budgets der anderen Tandems geradezu mikrig an:
Vernetze Versorgung: 10 wiss. Mitarbeiter (8)
Biokerosin: 2,7 Mio. Euro (9)
Internetbasierte Interventionen: keine Angaben

Wir resümieren:
  • Beim Führungspersonal hat das Fernsehen 2.0 nichts mit der Universität zu tun.
  • Die Kooperationspartner sind allesamt nicht aus dem Konvergenzgebiet, das von der EU gefördert wird.
  • Viele Lüneburger Professoren würden sich über ein Kompetenz-Tandem für ihre Forschung sehr freuen.
Trotzdem wird das Projekt Fernsehen 2.0 massiv und deutlich stärker als andere Tandems gefördert.

Versorgen Präsident Spoun und Vizepräsident Keller hier alte Freunde?


Quellen:
(1) univativ Nr. 63 - Seite 24; http://www2.leuphana.de/univativ/?page_id=44
(2) http://www.leuphana.de/inkubator/inkubator/teilmassnahmen/kompetenztandems/fernsehen/team-fernsehen-20.html
(3) http://www.prisma-hsg.ch/heft/details/1322
(4) http://www.haniel.de/irj/go/km/docs/haniel_documents/hcw/public/stiftung/Kooperationen/Interview%20Timon%20Beyes_d.pdf
(5) http://www.amazon.de/Stadt-Perspektive-Konstruktion-urbaner-Räume/dp/3775718028
(6) http://www.leuphana.de/inkubator/inkubator/teilmassnahmen/kompetenztandems/fernsehen.html
(7) http://www.zeit.de/2010/30/Privat-TV-Lueneburg?page=1
(8) http://www.leuphana.de/inkubator/inkubator/teilmassnahmen/kompetenztandems/vernetzte-versorgung.html
(9) http://www.leuphana.de/inkubator/inkubator/teilmassnahmen/kompetenztandems/biokerosin.html

1 Kommentar:

  1. Liebe Redaktion,

    dass Ihr Euch nach fünf Jahren immer noch über Seilsch.., ach nein, das heißt jetzt Netzwerke aufregt? Habt Ihr ernsthaft etwas anderes erwartet?! Was mir aber viel mehr Sorgen macht, selbst hier bei Euch setzt sich inzwischen die Begriffsverwirrung der Leuphana fest. Bei den Kompetenztandems sollte es nach der an die Politik verkauften Idee um Wissenschaftler gehen. Hallo?! Wissenschaftler?! Gehts noch?! Ballhaus ist ein toller Kamermann, aber Wissenschaftler?! Diesen Marketingfuzzi, den außer dem Klüng..., ach nee: Netzwerk niemand kennt, lasse ich mal außen vor. Ich freue mich über jedes Projekt für Ballhaus. Noch mehr freue ich mich, wenn DoktorandInnen, die eine ernsthafte (!) Diss. schreiben, direkt aus richtiger Forschung ohne Umschweife einen Job als Chefkameramann in Hollywood kriegen. Obwohl: die Mörderknete mag angehen. Dem Kino würde ich es aber nicht unbedingt wünschen. Vielleicht sind ja visuelle Kunst und Wissenschaft schon noch zwei paar Schuhe. Und da denke ich mir doch, dass ich der Wissenschaft so was auch nicht wünschen mag. Dagegen war ja unser Doktor von und zu ein Kinderkram, wenn ich sehe, wie diese beiden "Wissenschaftler" 26 WM, 4 Docs und 2 Postdocs kriegen kriegen. Da muss sich doch jede/r DoktorandIn veralbert fühlen, der sich noch mit ernsthafter Forschung beschäftigt.

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