Kommentar
Vergleicht man die aktuelle Position der Universität mit der Diskussion bei der Neuausrichtung im Sommersemester 2008 muss ein verwunderliches Phänomen festgestellt werden: Studierende und Dozenten positionieren sich inzwischen entgegengesetzt.
Damals waren die Fronten in etwa klar. Aus jenen Bereichen, welche von der Schließung ihrer Studiengänge betroffen waren ist der größte Widerstand gekommen. Sowohl von den Dozenten wie den Studierenden. Es betraf insbesondere die Sozialpädagogik, die naturwissenschaftliche Bereiche der Lehrerbildung wie der Umweltwissenschaften. Auch am Standort Suderburg herrschte Unzufriedenheit. Hingegen waren die Ingenieure aus Volgershall wie die Wirtschaftswissenschaften die stärkste Stütze des Präsidiums.
Heute ist die Situation völlig anders. Zu den stärksten Befürwortern gehören Studierende der Wirtschaftswissenschaften wie Dozenten der Nachhaltigkeitswissenschaften. Hingegen ist der Widerstand beim AStA-Umfeld geblieben. Hier sind Studierende der Umweltwissenschaften nach wie vor Überproportional stark vertreten. Zu den kritischen Stimmen sind inzwischen auch Dozenten der Wirtschaftswissenschaften hinzugekommen. Es muss bezweifelt werden, dass die Unterstützer einer sofortigen Wiederwahl von Holm Keller wie auch der Gegner tatsächlich gemeinsame Ziele haben. Vielmehr bilden sich Koalitionen, welche ganz unterschiedliche Ziele verfolgen. Diese jedoch besser erreichbar sehen mit oder ohne Holm Keller auf der Position als Vizepräsident.
Geht es um mehr oder weniger Elite? Ist eine humanistische Ausbildung heute vollkommen durchdrungen vom Gedanken der Nachhaltigkeit oder ist das Modul „Wissenschaft trägt Verantwortung“ die maximale Zumutung, sich mit einer derartigen modischen Ideologie zu beschäftigen?
Wo soll mit Sascha Spoun und Holm Keller die Universität in vier Jahren stehen? Welchen Ruf werden die Absolventen dieser Universität dann haben? Werden sich die Dozenten zukünftig andere Studierende aussuchen? Bzw. wie bewerten es die Studierende, dass ihre Dozenten sich ihrer Positionierung nicht anschließen?
Ohne Frage droht jedoch der aktuelle Diskurs einen deutlich langfristigeren Vertrauensschaden an dieser Universität zu hinterlassen. Spaltet das Thema eben nicht, wie damals bei der Neuausrichtung, verschiedene Bereiche der Universität sondern trifft viele einzelne Lehrveranstaltungen, in welche Dozenten und Studierende eine konträre Position zum Thema Wiederwahl haben.
Unabhängig, wie das Präsidium am Ende aussehen wird: Durch die überaus heftig geführten Meinungsbildungsprozessen droht ein tiefer Riss durch diese Universität. Dieser wird jedoch nicht um die tatsächliche Inhalte der Universität geführt sondern nur um die Köpfe, welche eine Rolle einnehmen.
Egal, wer am Ende Vizepräsident ist: Die Frage, ob an der Leuphana eine zukünftige Elite ausgebildet werden soll, welche die Welt verändern wird und/oder die Leuphana für eine Nachhaltige Entwicklung, auch in der Betriebswirtschaftslehre, steht, ist damit nach wie vor völlig offen.
Die Koalitionäre werden nach der Wahl jedoch feststellen, dass sie völlig unterschiedliche Ziele verfolgen. Ein gemeinsames Umsetzen gleicher Ideen mit den derzeitigen Partnern kaum möglich sein werden. Denn ein gemeinsames Programm verfolgt weder die Koalitionäre der einen, noch der anderen Seite.
Vielleicht wird es Zeit, dass der AStA sich zu dem Studienmodell der Leuphana positioniert. Sich dann vielleicht auch mit dem Namen des Studienmodells identifizieren kann. Andererseits sollten sich die nach ihrer eigenen Lehrphilosophie am Wettbewerb orientierten Betriebswirte fragen, wie sie aus sich selbst hinaus aus dem durchschnittlichen Mittelmass hinaus kommen. Hier bedarf es doch tatsächlich zuerst ein qualitatives Wachstum damit im Anschluss auch ein quantitatives Wachstum wieder erfolgen kann. Ein Biotopschutz mag ja für Orchideenfächer gelten, bestimmt jedoch nicht für die BWL.
Bei sonstiger guten Reputation ist Lüneburg weder von dem gut vernetzten Finanzjongleur abhängig bzw. stürzt mit, falls selbiger sich dann doch verhoben haben sollte.
Dienstag, 3. Mai 2011
Koalitionen auf Zeit
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Ein Artikel mit einem (im Vergleich zum Rest) hohen Niveau. An die Betreiber: Seit ihr sicher, dass sowas hier online sein soll? :)
AntwortenLöschenEine interessante Analyse. Ich glaube aber nicht, dass Nachhaltigkeit per se eine Ideologie ist. Ich sehe nur, wie Vertreterinnen und Vertreter der Nachhaltigkeit z.B. mit Studierenden umgehen. Und das macht mir Sorge. Nachhaltigkeit braucht Inhalte. In Lüneburg zeigt sie für mich faschistoide Züge.
AntwortenLöschenDas Problem Keller ist zweifach zu sehen: als Person und seine Verbundenheit mit den beiden Großprojekten. Als Person passt Keller nicht in das Leitbild der Leuphana. Dazu ist er zu arrogant und arbeitet zu viel mit Abwertung Andersdenkender. Die beiden Projekte werden der Uni noch Probleme bereiten: Verteuerung des Baus und Rückzahlung der Inkubatorgelder wegen Nicht-Erfüllung der Versprechen. In 40 Jahren schaue ich hier noch einmal rein.
Sehr treffend formuliert. Ein guter Artikel!
AntwortenLöschenEs verwundert nicht, dass einige (Wirtschafts-)Wissenschaftler die neuen Ziele der Universität nicht unterstützen. Wenn sie es täten, müssten sie sowohl die Lehre, welche teilweise schlecht ist, als auch die Forschung, die von vielen Professoren an der Leuphana gar nicht betrieben wird, völlig neu denken.
Vermutlich wäre das einigen schon im geistigen Ruhezustand angekommenen Professoren viel zu aufregend...
Erkenntnis nach dem Lesen des Artikels: Die Studierenden sind gespalten in Pro/Kontra Spoun/Keller - und das angeblich erst seit diesem Jahr.
AntwortenLöschenWar das nicht immer so? Und liegt das nicht auch daran, dass der ASTA es verpasst hat die Meinungen und Kritik aller Studierenden einzufangen? Klar, dass die die sich nicht vom Asta nicht vertreten fühlen ihren eigenen Weg suchen: z.B. eine Facebook Seite mit 1200 Likes. Fakt ist, dass der Asta ein Anti-Spoun Meinungsmonopol hat und den Diskurs krass verzerrt (z.B. dachte die überregionale Presse wohl, dass alle Lüneburger Studierenden gegen Spoun sind). Gut, dass sich das endlich mal etwas ändert. Andere Meinungen gab es schon immer, jetzt werden sie auch mal lauter artikuliert.
Die BWL hat in Lüneburg unter anderem daher keinen guten Ruf, da die Forschung in diesem Bereich "nicht so gut" ist, als an anderen Universitäten. Dabei darf mann aber nicht vergessen, dass die BWL an der Leuphana Universität Lüneburg ca. zur Hälfte aus FH-Professoren besteht, welche nicht forschen aber dafür mehr Lehre machen, die in diesem Fall eher praxisorientiert ist. Diese Lehre ist i.d.R. gut!
AntwortenLöschenIm Vergleich muss sich Lüneburg aber mit Universitäten vergleichen, die nicht zum Teil aus einer FH stammen, was nicht ganz fair ist.
Bisher wurden auch einige hochkarätige Professoren für die Fakultät gewonnen, die die Uni weiter nach vorne bringen in der Hinsicht und sich auch in der akademischen Selbstverwaltung durchaus stark einbringen.
Mein Fazit also, um den Ansatz in diesem Beitrag noch mal zu relativieren: Die Wirtschaftswissenschaften sind auf dem richtigen Weg weiter nach oben!
@Anonym 9:21 Uhr: Absolut richtig, wie hier schon öfter zu lesen war liegt das Problem genau da. Der ASTA tritt auf, als würde er die gesamte Meinung der Studierenden abbilden. Dabei ist es ja kein Wunder, wenn "OTTO-normal-Bürger" inkl. der Presse denken,diese Meinung von allen Studenten verdient bestimmt Unterstützung. P.S. die Landeszeitung macht das aber ganz bewusst, daher ja auch die große Aufmerksamkeit für die Facebook Seite.
AntwortenLöschenGrundsätzlich ein gelungener Beitrag, vielen Dank.
AntwortenLöschenIch frage mich öfter, warum ich in den Kommentaren oft 'Spoun' lese. Der ist doch gewählt und hat angenommen. Das respektieren doch alle.
Warum sprechen eigentlich so wenige über Holm Keller? Da könnte man doch inhaltlich prima diskutieren.
Herr Fabian, promovieren Sie eigentlich über dieses Thema?
AntwortenLöschenHallo Matze,
AntwortenLöschenkomm lass uns über Holm diskutieren. Du beginnst.
@anonym 21:18:
AntwortenLöschenNein. Frage beantwortet?
@Christian: das erklärt, warum die BWL'er so schwach sind. Dennoch würde es mal interessant sein zu wissen, wer von den Uni-Professoren überhaupt forscht. Forschung findet doch dort im Allgemeinen überhaupt nicht statt, oder?
AntwortenLöschenMich würde es interessieren, ob eine Kanzler-Doppelspitze möglich wäre. Dann könnte zum einen Holm Keller weiterhin seine Stärken und Netzwerke ausspielen, die der Uni zugute kämen, zum anderen könnte ein weiterer Prof. die Verwaltungsaufgaben übernehmen.
AntwortenLöschen@ Anonym: Doch sie forschen.
AntwortenLöschenwenig überzeugend! In Rankings war BWL aus Lüneburg immer letzter.
AntwortenLöschen@Anonym von 00:55:
AntwortenLöschenGenau ein solcher Vorschlag scheint ja der Kompromiss zu sein (so sagen jedenfalls die Zeitungen). Also scheint eine "eine Kanzler-Doppelspitze" wie du es nennst möglich.