Auf den Tag genau vor fünf Jahren präsentierte Vizepräsident Holm Keller dem Senat das Konzept Leuphana
Universität Lüneburg.
LeuphanaWatch erinnert daran mit einem alten
Beitrag der ASTA-Zeitung (Seite 2 f.), der zum ersten Geburtstag von Leuphana erschien und hier zitiert ist:
Ein Jahr danach: Wie die Uni ihren Namen bekam
„Stiftung Uni LG“, „Uni LG“, „Leuphana Uni LG“ oder doch „Leuphana“? Warum diese verschiedenen Bezeichnungen, warum sagen nicht alle „Leuphana“? Wir wagen einen Blick in die Historie, denn inzwischen ist „Leuphana“ ein Jahr alt.
Irgendwann im Sommer 2006 beginnt die Hamburger Agentur „Scholz & Friends“ im Auftrag der Unileitung, einen neuen Außenauftritt für die Uni Lüneburg zu entwickeln. Normalerweise arbeitet S&F für Kunden wie die Bundesregierung, die FAZ, Tchibo oder Siemens, hier ist sie aber für die kleine Uni in einem pro bono (‚für umsonst‘) Projekt tätig. S&F sucht aus anfangs 70 Ideen einen neuen Namen, für den dann ein komplettes PR-Paket geschnürt und an „peer groups“ ohne Beteiligung von Mitgliedern der Universität getestet wird. Logo, Layout, Anzeigen, Homepage-Prototyp, Broschüren und ein komplettes PR-Handbuch werden erstellt. Die Markenrechte und Internetdomains für den Namen werden gesichert.
Am 18. Oktober 2006 teilt der Präsident im Senat mit, dass ein Bestandteil der Neuausrichtung auch ein „neuer Außenauftritt“ der Universität sei. Der Senat horcht interessiert auf. Die europaweit renommierte Hamburger Agentur „Scholz & Friends“ unterstütze die Uni bei der Entwicklung. Auf einer Infoveranstaltung solle die Hochschulöffentlichkeit darüber informiert werden. Diese fällt später aus, da die Agenturvertreter kurzfristig absagen. Der Senat betont, dass nur die Uni selbst eine „extern entwickelte Marke mit Inhalt füllen kann“. Der Senat will die Außendarstellung diskutieren und fortentwickeln, erfährt aber vorerst nichts Genaues.
Im Zeitraum bis zur nächsten Senatssitzung kursieren wilde Gerüchte man hört etwas von „Leufania“ und dass auf der nächsten Sitzung ein neuer Name beschlossen werden soll. Der AStA fordert Aufklärung und kündigt an, ansonsten müssten sich alle Studierenden direkt im Senat informieren.
Zwei Stunden vor der Senatssitzung am 22. November kommt Vize Keller auf die AStA-Sitzung und stellt 70 Minuten lang den Außenauftritt „Leuphana“ (vermeintl. antike Ortsbezeichnung für LG) vor (vgl. „Das Leuphana-Konzept“). Das Ganze wiederholt sich wenig später im Senat, der ohne studentischen Großbesuch auskommt. Die „gebrochenen Kristallfarben“ verleiten einen Senator zu der Bemerkung, diese würden ja hervorragend zum vom Präsidium skizzierten Zustand der Uni passen. Der Senat diskutiert intensiv die Frage, ob die Uni überhaupt einen neuen Außenauftritt braucht, ob „Leuphana“ ein geeignetes Konzept sei und wie man es ggf. einführen könnte. Alternativen gibt es nicht – Leuphana oder nichts. Schließlich einigt man sich darauf, dass man einen neuen Außenauftritt einführen und dass dieser direkt für die gesamte Uni gelten sollte. Eine endgültige Entscheidung wird, sehr zum Missfallen von VP Keller, in den Dezember vertagt, um hochschulweit diskutieren zu können. Die Vorbereitung für „Leuphana“ geht weiter: Broschüren werden gedruckt, eine Webseite entwickelt. Dies ist nach Aussage von Herrn Keller nötig, um vor Weihnachten das Material veröffentlichen zu können – die „guten“ Studis würden da schon nach einer Uni suchen und diese Personen müsste man unbedingt erreichen.
Nach einer Infoveranstaltung und einem Workshop tagt am 13.12.06 der Senat erneut. Es werden die Anregungen und Gedanken zu „Leuphana“ diskutiert und die Vorschläge des Workshops beraten. Die Befürchtung wird geäußert, die Uni könnte den propagierten Erwartungen nicht gerecht werden. Vor allem besteht der Senat darauf, den ‚Zusatz’ „Universität Lüneburg“ unbedingt gleichwertig unter dem „Leuphana“ zu erhalten, wenn er auf Grund des bereits ausgegebenen Geldes Leuphana schon kaum noch ablehnen kann. Außerdem werden einige Änderungen gewünscht. Schließlich „begrüßt [der Senat] die Einführung und Umsetzung eines neuen Außenauftritts als ‚Leuphana Universität Lüneburg’“ mit 11:3:3 Stimmen.
Zwei Tage später berichtet die Landeszeitung erstmals über „Leuphana“, vor Weihnachten warten die „guten“ Studis erfolglos auf das Infomaterial der Uni. Statt dessen witzelt der halbe Campus über „Leufanta“ und „Leuphana – hört sich an wie ein Abführmittel“, die „univativ“ befasst sich mit dem „leicht esoterisch angehauchten Farbkonzept“.
Am 01.01.07 tritt ein neues Nds. Hochschulgesetz in Kraft. Während der Senat im Dezember nur zustimmen musste, hätte er jetzt für Leuphana die Grundordnung mit 2/3-Mehrheit ändern müssen. Das wahre Motiv für den Zeitdruck, der im letzten Jahr bestand?
Im Frühjahr entdeckt die LZ das Thema „Leuphana“ für sich, es gibt reihenweise Artikel und Leserbriefe. Die Mehrheit der Leser findet den Namen Leuphana für ungeeignet, es hagelt Kritik und Alternativvorschläge. Auch Ministerpräsident Wulff schaltet sich ein und lässt per SMS einen Vorschlag zum Unipräsidenten schicken. Oberbürgermeister Mädge ist auch nicht begeistert. Die „guten“ Studierenden warten nach wie vor auf das Infomaterial, was es plötzlich nicht mehr so eilig hat.
Am 10. Februar hält eine Leserin die Begründung für den Namen für „wackelig“. Das Leuphana des Ptolemäus liege irgendwo bei Hamburg oder in der Altmark oder in Meck.- Pomm. oder gar westlich des Rheins. Um sicher zu gehen, dass der Name auch auf die Uni passt, schlägt sie „Sascha-Spoun-Universität“ vor. Es folgen Kommentare wie „Schilda lässt grüßen“ und „Spounität Lüneburg“, bevor der bekannte Namensforscher Prof. Dr. Udolph aus Leipzig und der Sprachwissenschaftler Prof. Alpers aus Hamburg bestätigen: Leuphana hat mit Lüneburg nichts zu tun. Noch viel schlimmer: „Leuphana lag in Holland“!
Die Unileitung macht aus der Not eine Tugend und lässt sich eine neue Begründung für den Namen einfallen (vgl. „Was nicht passt wird passend gemacht“). Dann wird dieser am 20. März auch öffentlich im Foyer der Unibibliothek präsentiert. Aussagen des Präsidenten wie „Das Interessante ist zu Leuphana: von den Lüneburgern wird es nicht verwendet.“ oder „Es hat irgendwie was zu tun mit einem Ei. (...) Das Ei hat einen großen Vorteil: Wir wissen nicht, was rauskommt.“ erreichen Kultstatus in interessierten Studierendenkreisen. Am nächsten Tag folgt dann eine bundesweite Pressekonferenz in Berlin, auf der das „Leuphana“-Konzept der Presse vorgestellt wird. Die „guten“ Studierenden bekommen endlich ihre Infomaterialien. Der AStA organisiert in Berlin eine Demo, um auf die Namensfindung und die Seltsamkeiten hinzuweisen (Vgl. „Berechtigte Kritik“). Außerdem stellt er eine Pressemappe zusammen, die sich u.a. mit dem Namen Leuphana auseinandersetzt.
Seit dem 23. März [2007] heißt die Uni jetzt „Leuphana“ – ganz im Sinne des Senats, der „Universität Lüneburg“ unbedingt gleichgroß im Namen haben wollte.
Das Leuphana-Konzept
Ziel des Außenauftritts der Uni ist es, eine „Marke“ zu etablieren, die national und international wahrgenommen wird. Die Position der Universität im Wettbewerb der Hochschulen soll gestärkt werden. Die Marke soll die Attribute „anspruchsvoll“, „offen“, „vernetzt“, „lebendig“ und „zukunftsfähig“ transportieren und das Herz eines attraktiven Außenauftritts bilden. Der Begriff „Leuphana“ geht auf den griechischen Gelehrten Ptolemäus zurück, der die Region um Lüneburg so bezeichnete. Er ist international aussprechbar, war markenrechtlich noch zu haben und hat keine negativen Assoziationen. Über dem Schriftzug ist eine Grafik platziert, die wahlweise als Netzwerk, Würfel oder Kristall zu beschreiben ist. Sie soll deutlich machen, dass oft verschiedene Perspektiven nötig sind, um zu Erkenntnissen zu gelangen. Unter dem Schriftzug „Leuphana“ steht ein Zusatz, je nachdem um welchen Teil der Universität es sich handelt. Als Farben verwendet die Leuphana eine „eigenständig entwickelte Farbwelt“ aus „Naturfarben von Kristallen“.
Was nicht passt wird passend gemacht
Als wissenschaftlich nachgewiesen wurde, dass Leuphana mit Lüneburg wohl eher nicht gleichzusetzen sei, geriet die Namensbegründung ins Wanken. Die anerkannte Lokalisation in den Niederlanden drohte zu einer Blamage zu werden. Also zauberte man schleunigst eine neue Begründung aus dem Hut: Entscheidend seien gar nicht die genauen Fakten, sondern das Streben des Ptolemäus nach Wissen und seine Bereitschaft, scheinbar sichere Erkenntnisse in Frage zu stellen und weiterzuentwickeln. Seine Leidenschaft und Neugier seien auch heute noch „die wichtigsten Voraussetzungen für eine lebendige Wissenschaft“. „Diesem Geist entdeckenden Forschens und Lernens fühlt sich die Universität Lüneburg durch ihren Namen Leuphana verbunden.”
Berechtigte Kritik
Kritik am Prozess der Namensfindung: Die Mitglieder der Uni wurden erst zu einem sehr späten Zeitpunkt informiert und beteiligt, ihnen wurde eine fertige Lösung vorgesetzt. Diskussionsräume wurden durch vermeintlich hohen Zeitdruck stark begrenzt, Gestaltungsmöglichkeiten gab es de facto keine mehr bzw. sie begrenzten sich auf Schönheitskorrekturen. Als Wahlmöglichkeiten gab es nur „ja“ oder „ich stimme zu“. Eine echte demokratische Entscheidung war nicht möglich, der Prozess in den Augen vieler „einer Universität nicht würdig“. Kritik wird auch am Namen geübt: Er höre sich an wie ein Abführmittel, habe mit Lüneburg und der Geschichte der Lüneburger Uni nichts zu tun. Die Umdeutung der Unileitung sei einfach nur peinlich. Außerdem sei generell auf das „branding“ von Universitäten zu verzichten, denn diese seien keine Unternehmen. Zahlreiche andere große deutsche Universitäten machten deutlich, dass dies problemlos möglich sei. Diese Kritikpunkte sind ausschlaggebend dafür, dass viele Mitglieder der Uni den Begriff „Leuphana“ nicht verwenden – nicht aus Ablehnung von „Neuem“ oder von Personen, sondern um ein Zeichen zu setzen, dass eine Uni sich nicht alles gefallen lassen darf.
Ebenfalls sehr lesenswert ist ein
Text, den der ASTA an Journalisten verteilte.
LeuphanaWatch gratuliert der Leuphana
Universität Lüneburg. Sie hat ihren Weg konsequent fortgesetzt. Allein über die Richtung lässt sich streiten.